22
Jan 22

Kommentierte Zeitscheiben

In den letzten Wochen habe ich etwas Zeit mit Büchern verbracht, die schon etwas länger darauf warteten, von mir gelesen zu werden. Bei Dreien handelte es sich um in der näheren Vergangenheit (2017-2019) erschienene Sachbücher.

Jung genug, als dass sie noch nicht komplett veraltet gewesen wären - Teile davon durchaus "zeitlos", sofern die Wissenschaft keine neuen, anderslautenden Erkenntnisse gewinnt - und doch hat sich die Welt seitdem weitergedreht.

Und so habe ich mich bei der Lektüre mehrfach dabei erwischt, mir zu wünschen, dass Autor:innen eines bestimmten Genres so etwas wie "Reaktion-Videos" (oder in welchem Format auch immer) zu den jeweiligen Büchern machen würden. Mit Fragestellungen wie z.B.:

  • Wie hat sich die Welt verändert und wie ändert sich dadurch die Perspektive und etwaige Einschätzungen?
  • Welches Wissen hat die Welt dazugewonnen oder verwerfen müssen?
  • Wie hat die persönliche Weiterentwicklung, neue Erfahrungen die Wahrnehmung auf das Thema verändert?

Insbesondere bei Themen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt gehypte wurden - wie z.B. Transhumanismus - hätte dies einen bestimmten Reiz. Die Sau wurde durchs Dorf getrieben - aber was ist eigentlich Jahre danach aus ihr geworden? Wie hat sich der Hype-Cycle entwickelt?

Und gerade nachdem sich unsere Welt so gravierend geändert hat und weitere ändern wird.

Am nächsten kommt da vermutlich Austausch auf Social Media Plattformen dran. Wenn es nicht im Rauschen untergeht.

Stelle mir jetzt einfach die Lieblingssachbuchautorin vor, wie sie in einem Twitch-Stream oder bei Tiktok ihre vorletzte Publikation auseinandernimmt. Könnte man auch ein Podcast-Format daraus machen.

Gibt es bestimmt schon irgendwo, irgendwas.


17
Jan 15

Wie es wohl gewesen wäre…

Ein kleiner Hörtipp zum Nachhören: Spannendes Feature des Deutschlandfunks "Freistil", "Historiografie - Wenn Geschichte anders verlaufen wäre, als sie verlief" (Manuskript im PDF-Format). Dabei gelernt, dass der Name dieser Form von Fiction Uchronie (auch Alternativweltgeschichte) ist. Sie existiert sowohl in dystopischer als auch eutopischer Art. Das Feature selbst spielt in einer Uchronie, in welcher unsere Realgeschichte als alternative Wirklichkeit dargestellt wird.

Bei der kontrafaktischen Erzählung geht es darum, zu spekulieren, wie die Geschichte verlaufen wäre, wären bestimmte Dinge anders geschehen als geschehen. Werke der uchronistischen Art werden z.B. bei Uchronia.net gesammelt.

Das Thema erinnert mich sehr an "Alles bleibt anders" von Siegfried Langer. Ein Buch, dass von unterhaltsam bis übelkeitserregend ein recht breites Emotionenspektrum bei mir hervorief, mich jedoch mit Spannung überzeugte. Und das trotz des sehr schwierigen - aber gerne verwendeten - Uchronie-Themas "Was wäre, wenn nicht die Allierten gewonnen hätten…".

 


30
Nov 14

Umgang mit toten Links

Seit Jahren zählt das WordPress-Plugin Broken Link Checker lustig hoch wie sich die von mir verlinkte Internetsphäre verändert. In 11 ½ Jahren sammelten sich bereits einige Links an, von denen viele sowohl nicht mehr vorhanden als auch thematisch obsolet sind.

Ob es der kleine Sammler in mir ist, oder das in meinem Studium inzwischen häufiger mit Zwinkern vorgetragene Leid der ULB Bonn, die Groschenromane von Bastei-Lübbe Verlags archivieren zu müssen: "Zur heutigen Zeit mag es vielleicht wissenschaftlich uninteressant erscheinen, für den ein oder anderen als wertlose Schundliteratur gelten - doch für zukünftige Wissenschaftler mag dies eine enorme Fundgrube sein…", ganz entfernen möchte ich die Links oder gar die kompletten Einträge dann doch nicht.

2014-11-30
Blogvergangenheit über die Wayback Machine

Ein wundervolles Feature des Brocken Link Checkers, dass die Existenz einer archivierten Version im Internet Archive angezeigt wird, wenn man den Link bearbeitet. Die Ersetzung benötigt zwar weiterhin Denk- und Klickarbeit - nicht wenige URLs werden im Laufe der Zeit von dubiosen Linkfarmen übernommen - ermögtlich jedoch den Erhalt von Kontext.

Und nach all der Zeit in den Fundstücken von damals zu wühlen, kann durchaus alte Schmuckstücke erneut in den Fokus rücken oder einfach ein Schmunzeln auf die Wangen zaubern. So wie bei mir heute Betty Chus Angorahäschen, wenn das mal keine Real-Live Tribbles sind ;).

Unschöne tote Links sind jene, die es nichts in die Wayback-Maschine des Internet Archivs geschafft haben, z.B. die depublizierten Artikel deutscher öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten. Seiten zusätzlich mit Onlinedienste wie WebCite oder Archive.today zu verlinken, auf dass sie archiviert werden oder dieses beim Internet Archive anstoßen, ist nach deutschem Recht schätzungsweise ein riesiges No-Go. Schade…

Update 2014-12-01: Ganz spannend in diesem Kontext das kürzlich (25.11.2014) bei iRights.info erschienene Interview mit Rick Prelinger über das sein Filmarchiv und in diesem Kontext auftretende Probleme mit Urheberrecht und Lizenzen.


07
Apr 14

Feed-induzierte Verknüpfungen

Eigentlich schlafen wollen - und dann ist da dieses Buch auf dem Nachtisch - und es schreit "Lies weiter!". Ganz vernünftig habe ich es liegen lassend und doch, die Gedanken verselbstständigten sich und woben Verbindungen. Hier eine Verknüpfung, dort eine Erinnerung an eine Diskussion, die nicht passender hätte sein können.

Der vergangene Grund des Weiterlesen-Wollens war M.T. Andersons "Feed". Eine Satire, eine Dystopie, eine Liebesgeschichte, Coming-of-Age Story in einer Welt, in der es scheinbar nichts anderes gibt als Konsum… Sehr gut getroffen hat es auch ein Freund: Hat was von Idiocracy und so könnte man sich ein von dummschwätzenden Surferkids - "Dude!" - genervter William Gibson unter Pseudonym veröffentlichtes Werk vorstellen.

2014-04-07

Andersons Zukunftssprache ist für mich gefühlt einfacher zu lesen als jene in David Mitchells "Cloud Atlas". Die Lektüre letzteren Buches kann ich all jenen, die Freude an Facetten der englischen Sprache haben übrigens sehr ans Herz legen ;).

Zu "Feed" und der Sprache, dem Gesellschaftsbild, der Kritik, die das Buch in sich trägt. Der Querverweis zu H.G.Wells großartigem Werk "The Time Machine", für mich ist es ein weiteres wundervolles Werk, um darüber zu diskutieren, es in Beziehung zu setzen zu anderen Dystopien (Entdeckt habe ich es übringes bei der Semesterliteratur der Bonner Anglisten bei Witsch + Behrendt Bonn / @unibuchwitsch, scheinen also auch andere für die Diskussion zu nutzen ;) ).

Authentischerweise fließt im Text immer wieder mehr oder weniger verständlicher Konsumterror ein. Da zu lange Aufmerksamkeitsspannen ja heutzutage nicht mehr en vogue sind, bringen diese doch eine gewisse Erleichterung in den Lesefluss. ;) Hatten wir gerade noch am Sonntag beim leckeren Brunch: die Aufbereitung von Information à la LeFloid oder "Schrödinger lernt …" - um noch anspruchsvollere Beispiele zu nennen - "Serien" oder "Wissensformate", deren Sinn nichts anderes ist, als die Konsumlust der Eingefangenen in die richtigen Bahnen zu leiten.

Die heutigen Ansätze großer Firmen, uns ausgewählt nur die Dinge zu zeigen, die "uns interessieren". Passend dazu heute auf dem Medienpädagogik Blog erschienen: "Wie Facebook Informationen filtert". Ich werde ebenso nicht müde auf Eli Parisers TED-Talk the "Filter Bubble" hinzuweisen. Sehen, darüber reden und ab und zu nicht die einfache Methode wählen.

Diesbezüglich finde ich den Menschen als Spezies sehr faszinierend. Wie einfach wir einzufangen sind, egal ob gegen besseres Wissen, gegen den Willen...

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Gestern fiel mir auch nochmals der sehr hörenswerten Beitrag von Deutschlandradio Kultur breitband "Her mit neuen Dystopien!" ein.

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Und als ich gerade so tippte und überlegte welche Dystopien ich schon so gelesen habe, fiel mir auf, dass jene, welche ich auf Papier gedruckt in Händen hielt, mehr in meinem Gedächntnis verankert sind als die eBook-Varianten. Dabei habe ich durchaus sehr gute rein digitale Bücher gelesen. Irgendwie scheinen sie flüchtiger zu sein. Vielleicht brauche ich auch etwas ständig Sichtbares für die besonders bewegenden Werke. Vllt. in der Art der Leserin?

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Von der einen Vernetzung werde ich mich jetzt direkt in eine andere Vernetzung stürzen. Auf meinem To-Read-Stapel liegt "Erfindet euch neu! - Eine Liebeserklärung an die vernetzte Generation" von Michel Serres. Das Werk wurde von einer meiner Professorinnen mit sehr viel Leidenschaft empfohlen. Die Neugierde war geweckt und die Bibliothek meines Vertrauens hatte es sogar im Bestand.


29
Nov 08

Douglas Coupland “Microsklaven”

Douglas Coupland "Microsklaven"

Wie sieht das Leben, wie sehen die Gedanken eines Geeks aus, welcher bei Microsoft arbeitet? Hat dieser eigentlich ein Leben? Wie sieht er die Welt? Wenn du dir irgendwann einmal solche oder ähnliche Fragen gestellt hast oder du dich in irgendeiner Form für die Subkultur der technikfaszinierten Welt der 90er interessierst und mit ein bisschen verschrobenem Nerd-Sein umgehen kannst, könnte “Microsklaven” von Douglas Coupland vielleicht etwas für dich sein.

In Tagebuch-Form niedergeschrieben darfst du als Leser ein paar Jahre im Leben des mittzwanzigers Daniel Underwood und seiner Freunde begleiten. Eine Gruppe technikbegeisterter Programmierer die in einer spartanischen WG wohnen und im Dienste des großen Bills stehen.

Die dabei nicht ganz so geradlinigen - um nicht “verrückte” zu sagen - Gedankengänge zu verfolgen; die Phasen, welche einzelne Persönlichkeiten durchmachen zu beobachten war für mich sehr angenehm. Wahrscheinlich lag dies am sanften, vor sich dahin Plätschern der Ereignisse, fast schon entgegengesetzt zu dem Informationsrausch, welcher nicht selten meinen Alltag dominiert. Außerdem fühlten sich die Erinnerungen der Geschehnisse von Daniel auf eine Gewisse Art und Weise sehr familiär an.

Couplands Roman ist für mich ein gutes Lesefutter für Zwischendurch, er könnte fast der Inhalt eines Blogges sein, welcher noch als “richtiges Tagebuch” geführt wird. Situationsbeschreibungen, mehr oder weniger verrückte Geschichten und die Philosophien der Schlaflosen gewürzt mit einer Prise Technik-Slang, Markentheorien und Rebellion - naja, ein bisschen ^-^.

Fazit

Mir hat es Spaß gemacht, dieses Buch zu lesen. Nicht zu letzt wahrscheinlich deswegen, weil ich mich mit diesen kleinen bzw. größeren Nerds schon irgendwie identifizieren kann. Es hat mich berührt an der Entwicklung der Persönlichkeiten teilzuhaben. Und gerade zum Ende erinnert mich Microsklaven an das positive Gefühl, dass es eine wichtige Sache im Leben gibt, für die es sich immer zu kämpfen lohnt: gute Freude.