01
Apr 23

Im Fluss der Zeit

Im Laufe unseres Lebens erzählen wir viele Geschichten. Wir erzählen verschiedenen Geschichten mit unterschiedlichen Intentionen - mal mehr, mal weniger bewusst - abhängig von den Zuhörer:innen, von der Umgebung, von dem was um uns herum geschieht. Geprägt von den Medien, die uns umgeben, die wir bewusst oder unbewusst konsumieren.

Hätte ich Ambitionen meine Geschichte auszuarbeiten, würde hier nun vielleicht stehen, wie sich in den letzten 40 Jahren der Konsum und die Produktion von Erzählungen wandelten. Wie sehr sich die (Netz)welt seit meinen ersten Worten hier vor knapp 20 Jahren wandelte. Wie ich mich veränderte. Um dann irgendwann dabei zu landen, was dies für diesen kleinen Blog bedeutet.

Dafür fehlt mir die Muße, das Sitzfleisch und auch das Talent. Daher überlasse ich das lieber anderen.

Oder sollte ich lieber eine generative KI gut klingende Text verfassen lassen? Nur damit hier etwas passiert und die verbliebenen Bots und Crawler nicht auch noch das Interesse verlieren? Da ich diese Seite weder für ein soziales, politisches oder monetäres Ziel betreibe - macht es glücklicherweise kein Unterschied.

Ich hätte Lust, einen Roman zu lesen, der mit dem Medien- und Kommunikationswandel spielt. Kein SciFi, und auch nicht einfach nur ein Chat- oder Internetroman oder aufgeschrieben Kommunikation. Dies Ganze zu verflechten, ohne dass es zu platt, zu belehrend oder zu meta wird, stelle ich mir extrem schwierig vor. Und auf der anderen Seite sehr spannend. Vom Vibe her vielleicht wie David Mitchells "Cloud Atlas"1. Mein Gehirn kramt aus den Untiefen auch Neal Stephensons "Diamond Age" hervor, was ich unbedingt ein weiteres Mal lesen muss, einfach um zu sehen, wie es im unserer aktuellen Welt auf mich wirkt.

Aber zuerst liegt noch "Erzählende Affen" von Samira El Ouassil und Friedemann Karig auf dem Stapel. Das so gepackte Buch, welches in den ersten Absätzen dieses Beitrags in meinen Gedanken herumgeisterte.

  1. für jeden, der Spaß an englischer Sprache hat: das Buch lohnt sich []

22
Jan 22

Kommentierte Zeitscheiben

In den letzten Wochen habe ich etwas Zeit mit Büchern verbracht, die schon etwas länger darauf warteten, von mir gelesen zu werden. Bei Dreien handelte es sich um in der näheren Vergangenheit (2017-2019) erschienene Sachbücher.

Jung genug, als dass sie noch nicht komplett veraltet gewesen wären - Teile davon durchaus "zeitlos", sofern die Wissenschaft keine neuen, anderslautenden Erkenntnisse gewinnt - und doch hat sich die Welt seitdem weitergedreht.

Und so habe ich mich bei der Lektüre mehrfach dabei erwischt, mir zu wünschen, dass Autor:innen eines bestimmten Genres so etwas wie "Reaktion-Videos" (oder in welchem Format auch immer) zu den jeweiligen Büchern machen würden. Mit Fragestellungen wie z.B.:

  • Wie hat sich die Welt verändert und wie ändert sich dadurch die Perspektive und etwaige Einschätzungen?
  • Welches Wissen hat die Welt dazugewonnen oder verwerfen müssen?
  • Wie hat die persönliche Weiterentwicklung, neue Erfahrungen die Wahrnehmung auf das Thema verändert?

Insbesondere bei Themen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt gehypte wurden - wie z.B. Transhumanismus - hätte dies einen bestimmten Reiz. Die Sau wurde durchs Dorf getrieben - aber was ist eigentlich Jahre danach aus ihr geworden? Wie hat sich der Hype-Cycle entwickelt?

Und gerade nachdem sich unsere Welt so gravierend geändert hat und weitere ändern wird.

Am nächsten kommt da vermutlich Austausch auf Social Media Plattformen dran. Wenn es nicht im Rauschen untergeht.

Stelle mir jetzt einfach die Lieblingssachbuchautorin vor, wie sie in einem Twitch-Stream oder bei Tiktok ihre vorletzte Publikation auseinandernimmt. Könnte man auch ein Podcast-Format daraus machen.

Gibt es bestimmt schon irgendwo, irgendwas.


12
Jan 18

Linkrot, rechtliche Unsicherheiten, Selbstzensur …

Drei der Dinge, die mich überlegen lassen, diesen Blog nach fast 15 Jahren einzustampfen oder zumindest inhaltlich stark zu reduzieren.

Lange war der Blog für mich ein Ort, an dem ich einst entdeckte, gelernte, produzierte Dinge wieder auffinden konnte. Als positiven Nebeneffekt konnte ich sie interessierten Dritten zur Verfügung stellte. Diese Rolle übernahmen nach und nach der RSS-Reader, Microblogging und Bookmarking-Varianten (von Pinboard.in über diverse Read-it-Later-Lösungen). Die Links alter Beiträge verfielen immer schneller und mit dem Alter und dem Wissen stieg mein Bewusstsein für die Gefahren, die das Veröffentlichen von Inhalten mit sich bringen können.

Für etwas, dass ich aus Spaß an der Freude und altruistischen Motiven selbst finanziert produziere, möchte ich weder in einen Shitstorm geraten noch vermeintlich wettbewerbsrechtliche Schäden verursachen und dafür haftbar gemacht werden. Und da die Prüfung auf potentielle Fallstricke einen großen Zeitaufwand darstellen kann, verflogen die immer weniger werdenden Momente der Blog-Motivation.

Ein vierter Punkt, der nicht minder wichtig ist: Die Frage, ob ich überhaupt etwas Neues, etwas Nützliches oder wenigstens halbwegs Interessantes zu sagen habe.

Auf so vielen Ebenen kämpfen Personen, Institutionen, Organisationen mit dem Gleichen und Selben und immer Extremeren um die Aufmerksamkeit des Konsumenten oder um die Anerkennung und die Bestätigung. Egal ob im Marketing des Konsumbereichs oder der Wissenschaft ("Publish or Perish"). Ebenso wollte ich dem so verlockende (in Bezug auf das Belohnungssystem) doch auch problematischen Sog der Micro-Anerkennung und Zähler-Vergleiche entfliehen, die auf Dauer eher toxischen Wirkung auf mein generelles Wohlbefinden hatten.

Wo stehe ich nun?

Ich vermisse die positiven Effekte: die Schreibübung, das allmähliche Verfertigen der Gedanken beim Reden Schreiben, den Austausch mit Interessierten, die Möglichkeit auf kommentierte Links zurückzugreifen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Zeit investieren möchte, die Inhalte (über 1000 veröffentlichte Beiträge) durchzuschauen und auf ihre Relevanz zu überprüfen. Vielleicht ist mein Blog auch einfach ein Relikt der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts, welcher den Weg so vieler seiner Zeitgenossen gehen muss. Das heutige Internet ist ein anderes als jenes, das ich erleben durfte. Ich bin mir noch nicht sicher, wie ich es jenseits von der Unterstützung mir wichtiger Projekte1 mit"prägen" kann und will.

  1. unvollständige Liste []

07
Apr 14

Feed-induzierte Verknüpfungen

Eigentlich schlafen wollen - und dann ist da dieses Buch auf dem Nachtisch - und es schreit "Lies weiter!". Ganz vernünftig habe ich es liegen lassend und doch, die Gedanken verselbstständigten sich und woben Verbindungen. Hier eine Verknüpfung, dort eine Erinnerung an eine Diskussion, die nicht passender hätte sein können.

Der vergangene Grund des Weiterlesen-Wollens war M.T. Andersons "Feed". Eine Satire, eine Dystopie, eine Liebesgeschichte, Coming-of-Age Story in einer Welt, in der es scheinbar nichts anderes gibt als Konsum… Sehr gut getroffen hat es auch ein Freund: Hat was von Idiocracy und so könnte man sich ein von dummschwätzenden Surferkids - "Dude!" - genervter William Gibson unter Pseudonym veröffentlichtes Werk vorstellen.

2014-04-07

Andersons Zukunftssprache ist für mich gefühlt einfacher zu lesen als jene in David Mitchells "Cloud Atlas". Die Lektüre letzteren Buches kann ich all jenen, die Freude an Facetten der englischen Sprache haben übrigens sehr ans Herz legen ;).

Zu "Feed" und der Sprache, dem Gesellschaftsbild, der Kritik, die das Buch in sich trägt. Der Querverweis zu H.G.Wells großartigem Werk "The Time Machine", für mich ist es ein weiteres wundervolles Werk, um darüber zu diskutieren, es in Beziehung zu setzen zu anderen Dystopien (Entdeckt habe ich es übringes bei der Semesterliteratur der Bonner Anglisten bei Witsch + Behrendt Bonn / @unibuchwitsch, scheinen also auch andere für die Diskussion zu nutzen ;) ).

Authentischerweise fließt im Text immer wieder mehr oder weniger verständlicher Konsumterror ein. Da zu lange Aufmerksamkeitsspannen ja heutzutage nicht mehr en vogue sind, bringen diese doch eine gewisse Erleichterung in den Lesefluss. ;) Hatten wir gerade noch am Sonntag beim leckeren Brunch: die Aufbereitung von Information à la LeFloid oder "Schrödinger lernt …" - um noch anspruchsvollere Beispiele zu nennen - "Serien" oder "Wissensformate", deren Sinn nichts anderes ist, als die Konsumlust der Eingefangenen in die richtigen Bahnen zu leiten.

Die heutigen Ansätze großer Firmen, uns ausgewählt nur die Dinge zu zeigen, die "uns interessieren". Passend dazu heute auf dem Medienpädagogik Blog erschienen: "Wie Facebook Informationen filtert". Ich werde ebenso nicht müde auf Eli Parisers TED-Talk the "Filter Bubble" hinzuweisen. Sehen, darüber reden und ab und zu nicht die einfache Methode wählen.

Diesbezüglich finde ich den Menschen als Spezies sehr faszinierend. Wie einfach wir einzufangen sind, egal ob gegen besseres Wissen, gegen den Willen...

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Gestern fiel mir auch nochmals der sehr hörenswerten Beitrag von Deutschlandradio Kultur breitband "Her mit neuen Dystopien!" ein.

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Und als ich gerade so tippte und überlegte welche Dystopien ich schon so gelesen habe, fiel mir auf, dass jene, welche ich auf Papier gedruckt in Händen hielt, mehr in meinem Gedächntnis verankert sind als die eBook-Varianten. Dabei habe ich durchaus sehr gute rein digitale Bücher gelesen. Irgendwie scheinen sie flüchtiger zu sein. Vielleicht brauche ich auch etwas ständig Sichtbares für die besonders bewegenden Werke. Vllt. in der Art der Leserin?

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Von der einen Vernetzung werde ich mich jetzt direkt in eine andere Vernetzung stürzen. Auf meinem To-Read-Stapel liegt "Erfindet euch neu! - Eine Liebeserklärung an die vernetzte Generation" von Michel Serres. Das Werk wurde von einer meiner Professorinnen mit sehr viel Leidenschaft empfohlen. Die Neugierde war geweckt und die Bibliothek meines Vertrauens hatte es sogar im Bestand.


17
Okt 12

Von Schubladen zur Kultur

Der Startpunkt des Gedankenfadens, welcher letzte Nacht während ich eigentlich einschlafen wollte in meinem Kopf herum geisterte - darum heißt das wohl Geisterstunde - war Katrin Hentschels Beitrag im Blog Geist und Gegenwart: "Erster Klasse zur Endstation abgestempelt". In diesem beschreibt die Autorin ihr Gefühl, dass sie befällt, wenn sie feststellt, dass sie Dinge anders macht, denkt, angeht als es Konsens zu sein scheint. Die daraus folgende Unsicherheit, das sich ausgeschlossen Fühlens, so beschließt sie, möchte sie nun anders angehen.

Nach meinen vielen Fahrten in Richtung "Abgestempelt", wofür ich mir natürlich selbst die Fahrkarte gekauft hatte, habe ich mir nun einen Stadtplan zurechtgelegt um immer wieder zurück zu finden. Ein Stadtplan, der mir den Weg zu mir zurück weist.

Mit Neugierde auf die Unsicherheiten zugehen und Vorurteile als Spiegel verwenden.

Passenderweise las ich nur wenige Tage zuvor bei Alltagsforschung.de einen Artikel, der zum Thema hatte, wie Vorurteile unsere Leistung beeinflussen und verweist am Ende auf einen Tipp-Katalog zweier Psychologen, wie man sich selbst diesbezüglich etwas Gutes tun kann.

Alexander Dill hat sich in Telepolis wiederum der Schublade "Coolness" gewidmet, versucht in seinem Artikel zu ergründen, wieso es (für manche) so wichtig ist, cool zu sein - und woran man Coolness erkennen könnte. Er streift Coolness als Schutzmechanismus und als Ausschlusskriterium aus der Gesellschaft. Und mir stellt sich spontan die Frage, ob "cool sein" nicht vielleicht sogar schon überholt sein könnte, oder irgendwie normal?

Größere Schubladen, ziemlich mutig generalisiert, öffnet Grant McCracken im Harvard Business Review Blog in "Boomers, Stop Yelling at Gen Y to Get Off Your Lawn". Er beschreibt eine Kluft zwischen Boomers und Millennials und dass man diese doch bitte irgendwann einmal hinter sich lassen könnte. Hier werden Themen gestreift, über die sicherlich gut diskutiert oder gestritten werden kann. Geht es doch um Kultur und was Kultur ist.

Und von da kam ich schnell zu der sehr beeindruckenden Lesung, der ich am Montag beiwohnen durfte. Dazu später mehr...