03
Nov 23

Erinnerung und Vergessen

Nach der Werbung, die ich vor ein paar Tagen für Archive-Tools gemacht habe, muss ich eine wichtige Frage nachreichen:

Wie gut ist es überhaupt, tote Links mit Links auf Archiv-Versionen zu ersetzen?

Aus der einen Perspektive betrachtet ermöglicht die Verlinkung der archivierten Version - optimalerweise aus einem Zeitraum, der dem Entstehgungsdatum eines Blogposts nahe liegt - einen (verzerrten) Blick in die Vergangenheit1. Ein Spaziergang in die Vergangenheit zu ansonsten vielleicht vergessenen Inhalten.

Auf der anderen Seite gibt es genügend Gründe, die dagegen sprechen. Ganz vorne voran: rechtliche Gründe, Schutz der Privatspähre, das Recht auf Vergessenwerden. Für mich als Bewohnerin eines europäischen Staates gibt es keine Fair-Use-Regelung, die das ein oder andere, was ich in meinen frühen Jahren im Netz gemacht habe, ermögtlicht hätte. Das ist der Grund, wieso meine mit viel Liebe gebastelten Fan-Seiten schon länger nicht mehr online existieren und dieser Blog so viele seiner Bilder verloren hat. Oder die jugendlich-naiven Rants, die schon lange passé sind und gerne in Vergessenheit geraten dürfen. Warum sollten diese wieder sichtbarer werden?

Doch der utopistisch bibliothekarische Teil von mir wird ein wenig wehmütig: entferne ich die Links, entferne ich ein Stückchen historische Information. Zerschneide ich Verbindungen in einem sowieso schon so fragilen Netz.

Im Falle meines Blogs spielt das glücklicherweise keine Rolle...2

Und doch. Just muss ich an die Anekdote eines Dozenten in meinem Studium denken: Über die Pflichtexemplare von Groschenheftchen - gerne belächelt - aber ein Schatz für die Forschung.

  1. fehlende Multimedia-Inhalte und so...[]
  2. wechsele jedoch kurz zu Google Scholar um einen Blick in die Forschung zum Thema zu werfen. Gerade im wissenschaftlichen Bereich ist es ein eher größeres Problem.[]

01
Nov 23

Nostalgie und Bangs

Seiten, über die ich einmal stolperte, an denen ich mich erfreut habe, die dann aber wieder in Vergessenheit geraten sind. Durch die Korrektursichtung blättere ich in der Sammlung meiner Entdeckungen von früher. Viele der Links sind inzwischen mit einem offline markiert. Die automatische Prüfung auf tote Links arbeitet leise im Hintergrund. Sie erwischt nur Seiten, die komplett unerreichbar sind, umgewidmete Seiten werden nicht erkannt.

Wo ich die Beiträge sichte, blicke ich das ein oder andere Mal in die Vergangenheit des Netzes. Aus Nostalgie werfe ich einen Blick in die Wayback Machine wenn eine spannend klingende Seite von damals als offline angezeigt wird. Übrigens: wer die Suchmaschine DuckDuckGo verwendet, kommt sehr bequem ins Archiv einer Seite. !wayback in den Suchschlitz zum nicht mehr funktionierenden Link packen und es wird die Wayback Machine geöffnet mit der Übersicht der vorhandenen Sicherungen (Snapshots) des angegebenen Links. In einer Jahresleiste wird mittels eines Balkendiagrams angedeutet, wie viele Sicherungen existiern. Wählt man ein Jahr aus sind Tage mit vorhandenen Sicherungen bläulich markiert (siehe Abb. 1). Klickt man darauf, erhält man eine Liste der Snapshots. Klickt man auf einen Sicherungszeitpunkt, gelangt man auf die gespeicherte Seite.

Annotierter Screenshot der Wayback-Machine. Zu sehen ist eine Information über die Anzahl der gespeicherten Sicherungen (Snapshots). Darunter eine Jahresleiste in der in Balkendiagrammen die Anzahl der gesicherten Snapshots pro Monat angedeutet werden. Das Jahr 2005 ist gelb hervorgehoben. Ein Pfeil zeigt darauf mit einer Infobox, die darauf hinweist, dass man zuerst das Jahr auswählen muss. 
Darunter befindet sich ein Jahreskalender mit Monaten und Tagen. Tage, an denen ein Snapshot existiert sind blau hervorgehoben. 
Ein Pfeil zeigt auf den blau hervorgehobenen 24. Januar mit der Infobox, dass im zweiten Schritt der Tag und der Snapshot ausgewählt werden müssen. Vom 24. Januar aus öffnet sich eine rechteckige Sprechblase, in der vermerkt ist, dass es an diesem tag 1 snapshot gibt, sowie die Uhrzeit jener Sicherung. Diese ist verlinkt und eine Maushand liegt darüber um zu anzudeuten, dass man auf den Link klicken muss, um zur Sicherung zu gelangen.
Abb. 1: Screenshot der Ergebnisanzeige der Wayback Machine mit Hervorhebung.

Und wo ich so den Namen der so nützlichen Funktionaliät1 nachschlage (Bangs), stelle ich fest, dass es sogar noch schneller geht: !wbm. Möchte man das Internet Archive motivieren, eine Sicherung einer Seite zu speichern, z.B. weil diese historisch relevant werden könnte, kann auch dies via DuckDuckGo über den Bang !save initiiert werden. Ansonsten: Wer ein wenig hinter die Kulissen blicken möchte: im Juli führte Netzpolitik ein Interview mit einem Mitglied des Archive Teams (2023). Lesenswert ist auch der Heise Online Artikel von Pit Noack (2018).

Die Wayback Machine ist natürlich nicht das einzige Projekt, das versucht dem Verschwinden von Informationen im Netz entgegen zu treten. Andere Dienste sind z.B. archive.today (!ais). Salman Ravoof hat im November letzten Jahres einen recht umfangreichen Artikel zum Thema geschrieben (2022), in dem mehr Dienste und andere Möglichkeiten entdeckt werden können. Auch in Awesome OSINT Listen kann zu dem Thema einiges gefunden werden. Neben der rechtlichen Diskussion mag ich hier auch das Fass der Herausforderung der Langzeitarchivierung gerade nicht aufmachen. Diese Sicherungen sind häufig genug alles andere als vollständig. Bilder, Videos, Flash, andere multimediale oder dynamische Inhalte fehlen oder funktionieren einfach nicht mehr, Technologien sterben. Oder die Seiten liegen hinter eine Login- oder Paywall und sind damit für solche Dienste unerreichbar.

Weil ich gerade Flash erwähnt habe: Düster erinnere ich mich an den Bericht über ein Flash-Archiv, über das ich kürzlich etwas gelesen habe. *geht mal nachschauen* Oder vielleicht auch doch nicht so kürzlich: im November 2020 berichtete das Internet Archive über die damals neue Flash-Emulierung in der digitalen Bibliothek. Hier geht's zum Flash Showcase, in dem sich auch das ein oder andere in meinem Blog besprochene Spielchen noch mal ansehen und spielen lässt.

Und weil es so gut passt, drüben bei Netbib wurde vor ein paar Tagen auf die Internet Artifacts verwiesen (via Vorspeisenplatte): ein kleines digitales Museum, in dem man einen Blick auf die Geschichte des Internets werfen kann. Sehr liebevoll gestaltet.

Nachgereicht: Erinnerung und Vergessen

  1. im Dauergebrauch bei mir auch !wiki[]

29
Okt 23

Kudos und Sehnsucht

Mein Hoster hat die Datenbank aktualisiert und das Standard-Character-Encoding geändert. Dies führte zum ein oder anderen Zeichenproblem. Da ich immernoch nicht bereit bin, dieses kleine eigene Stückchen Internet offline zu nehmen, gehe ich nun das Geschreibsel der letzten 20 Jahre auf verbleibende Zeichenprobleme durch um diese zu korrigieren.

Es ist spannend, ab und zu etwas peinlich, die alten Texte nochmals anzusehen. Ich freue mich, wenn zwischen all den toten Links und Spam-Seiten, die ein oder andere Perle nicht nur noch existiert sondern sogar noch lebt. Weil ich heute darüber gestolpert bin: Kudos an Arte, deren Links auch nach 17 Jahren noch zur richtigen Seite führen. Mit offenen Karten gehört immer noch zu einer meiner gerne empfohlenen Sendungen.

Etwas wehmutig wird mir, wenn ich auf die Kommentare von Menschen stoße, mit denen ich damals über die Blogosphäre verbunden war. Ich hoffe, ihnen geht es gut.

Passend dazu bin ich die Tage in Stephen Downes' OLDaily über den Blogartikel Journaling in private with my friends von Ben Werdmuller (Werd I/O) gestolpert. Die dort niedergeschriebenen Sehnsucht kam beim Durchblättern der Einträge auch bei mir hoch. Doch hat sich nicht nur das Netz verändert, auch meine Perspektive, mein Umfeld, Schwerpunkte und Verantwortlichkeiten sind andere. Die Frage, die sich mir aufdrängte: Wie viel der Sehnsucht ist nicht einfach die Sehnsucht nach den unbeschwerten Jahren des Ausprobierens, der Freiheiten "der Jugend"? Die Sehnsucht danach, dass die Menschen um einen herum Zeit und mentale Kapazität für die niedergeschriebenen Gedanken haben, weil es die Lebensphase, in der sie sich befinden, erlaubt.

Unausgereift drängt sich mir der Gedanke zur Reziprozität der Aufmerksamkeit auf. Die explodierte Menge an Inhalten, erst recht seitdem der Einsatz von generativer KI für alle recht einfach möglich ist. Sicherlich wäre es spannend hier einen Blick auf die Forschung zu werfen.

Weitere Lektüre

Parham, Jason : First-Gen Social Media Users Have Nowhere to Go. Wired, 06.11.2023
Carrigan, Mark : How blogging is different from tweeting. M. Carrigans Blog, 22.05.2023


04
Okt 19

Die Überreste einer einst an 3. Traffic-Stelle stehenden Webseite

Es sollte keine große Überraschung sein, dass die Langzeitverfügbarkeit von Internetinhalten eher so "mäh" ist. In den letzten Jahrzehnten hat sich das Netz stark verändert. Das Silomodell machte Schule - vieles Eigene wurde Zugunsten der Plattformen aufgegeben und wer kann schon sagen, Herscher:in seiner eigenen Daten zu sein.

Natürlich gab es schon früher Plattformen. Einige davon verschwanden obwohl sie einmal der Platzhirsch waren. Populärstes Beispiel wahrscheinlich GeoCities, welches 2009 seinen Dienst einstellte. Einige Projekte machten es sich zum Ziel wenigstens einen Teil dieser Netzgeschichte zu bewahren. Wer sich für Details interessiert, sei auf das Wiki des Archive Teams verwiesen, welche GeoCities für die Nachwelt erhalten haben.

Die Sicherung des damaligen Homepage-Planeten brachte durchaus Kuriositäten hervor, wie z.B. GifCities 1, wo man heute, bei vorhandener Geduld, damals eingesetzten Wackelbildchen durchsuchen kann. Andere Projekte (z.B. ReoCities) haben inzwischen selbst das Zeitliche gesegnet.

Was Künstler aus dem GeoCities-Archiv gemacht haben, kann man im Artikel "The Impulse of the Geocities Archive: One Terabyte of Kilobyte Age" von Daniel Rourke (16.05.2013) über Olia Lialina und Dragan Espenschied und ihr Projekt One Terabyte of Kilobyte Age nachlesen. Meghan McDonough & Marcie LaCerte haben das Thema in diesem Jahr (20.09.2019) erneut aufgegriffen und berichtet in "The early internet is breaking—meet the people saving it" ebenfalls über das Künstlerpaar.

Version 1.5 meiner ersten Homepage, natürlich mit Marquee-Effekt. Nicht im Bild: Farblich angepasste Scrollbalken. Ein Feature, welches nur der damals innovative IE beherrschte.

Erwähnt wird im Video/Artikel auch das Open Source Archivierungswerkzeug Webrecorder.io. Der ebenfalls von Rhizome, "Serviceleister" für digitale Künstler, entwickelte Webrecorder Player könnte eine Option für mein eigenes Archivierungsproblem sein.

Edit: Oh je, ich bin Clickbait-geschädigt und produziere jetzt auch schon solche fürchterlichen Überschriften -_-''

  1. Katzengifs aus den 00er Jahren - anyone?[]