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Apr 17

Die Mastodons erobern das Internet *toot.toot*

Zugegeben, ein etwas reißerischer Titel für ein Phänomen, welches tendenziell eher in der Nische zu beobachten ist. Ich bin jedoch sehr gespannt wohin die Reise der Mastodons geht und würde mich freuen, wenn aus dem Mini-Hype viele solide Communities erwachsen würden, die jenseits von Wachstums-Zwang und Kommerzialisierung einen sich gut anfühlenden Ort für den Austausch zwischen Gleichgesinnten bilden [via].

Was ist Mastodon?

Kurz zusammengefasst: Mastodon ist eine unter der GNU AGPL-Lizenz veröffentlichte Software, welche jedem Interessierten erlaubt ein twitter-ähnliches Microblogging-Netzwerk aufzubauen: seine eigene Mastodon-Instanz, mit eigenen Regeln.

Abb.1 an Tweetdeck erinnernde Ansicht der verschiedenen Timelines von Mastodon

Auf einer Instanz können sich - sofern diese Funktion nicht abgeschaltet oder beschränkt wurde - Nutzer einen Account erstellen. Sodann können Einträge ("Toots") bis zu 500 Zeichen verfasst und andere Nutzer verfolgt werden. Neben Hashtags, Bildanhängen, Mentions und private Nachrichten (Abb.1, grüner Pfeil), der eigenen Timeline ("Home") sowie einer Timeline aller auf der eigenen Instanz erfolgten öffentlichen Toots ("Local Timeline") und Notifications (wie bei Twitter) gibt es von Hause aus eine Funktion ("CW", Abb.1, roter Pfeil), mit der sensibler oder aus anderen Gründen versteckt werden sollender Inhalt ausgeblendet werden kann. Auch Bilder kann man mit der Eigenschaft "NSFW" (Not Safe for Work) versehen, so dass sie nicht direkt angezeigt und mit einer Warnung versehen werden. Natürlich gibt es Emoticons (Abb.1, blauer Pfeil) und die Möglichkeit, Toots zu retooten ("Boost") oder mit einem Stern zu versehen - kein Herz *yay*.

Der größte Unterschied von Mastodon zu den aktuellen Netwerken ist natürlich die Dezentralität. Es existieren viele einzelne Instanzen mit z.T. unterschiedlichen Regeln. Die einzelnen Instanzen stehen jedoch nicht komplett isoliert nebeneinander, sonder es ist möglich, Nutzer von anderen Instanzen zu folgen. Außerdem gibt es eine Federated Timeline. In dieser werden alle der eigenen Instanz bekannten öffentlichen Toots angezeigt. Was heißt bekannt? Deine Instanz kennt alle Toots von Mastronauten anderer Instanzen, die von Mastronauten Deiner Instanz verfolgt werden.

In meinem Augen bietet Mastodon eine große Chance Orte zu schaffen, die für einen Neunutzer auf den ersten Blick einen erkennbaren Nutzwert ausstrahlen. Ich erinnere mich an Debatten darüber, dass Twitter für den unbedarften Nutzer unverständlich und verwirrend erscheinen konnte. Dass zwar ein Account angelegt, ein paar Informationsquellen gefolgt wurde, die dann nach kurzer Zeit brach liegen gelassen wurden, da sich ein Mehrwert nicht erschlossen hatte.

Bei einem Blick auf die inzwischen veraltete Mastodon-Instanz-Liste auf GitHub fiel mir z.b. ins Auge, dass für die Furry-Community überproportional viele Instanzen existierten. Bei der aktuellen Liste gibt es leider keine Beschreibung mehr auf der Übersichtszeite - es kitzelt mich ja ein bisschen in den Fingern dies auszuwerten.

Natürlich gibt es auch kritische Stimmen, wie jene von John Henry, welcher Mastodon in seinem lesenswerten Beitrag als Totgeburt bewertet. Diese Bewertung ist selbstverständlich aus einer bestimmten Perspektive erfolgt. Die Kritikpunkte rund um die Macht des Instanzbetreibers, dass Instanzen andere Instanzen blockieren können und dass das was man in der Federated Timeline sieht sehr stark vom Betreiber der eigenen Instanz abhängt, ist nicht von der Hand zu weisen.

Ich wittere hier eine Chance für die Entwicklung eines guten Miteinanders. Aus dem Bauch heraus würde ich sagen, dass bei den bestehenden Netzwerken der Zug für eine Bottom-Up-Entwicklung abgefahren ist. Und damit bleibt wahrscheinlich nur Überwachung und Zensur :-/. Sich basierend auf gemeinsamen Interessen entwickelnde Instanzen haben es da viel leichter einen gemeinsamen Konsenz zu finden. Verklärt utopistisch gesprochen könnte es leichter fallen, diesen gemeinsamen Konsenz tranparent zu kommunizieren und die eigene Instanz durch Microfunding (z.B. via Patreon: Gargron: mastrodon developer & mastodon.social, Valentin Ouvrard: mastodon.cloud) zu tragen. Dass diese Vorstellung eher naiv ist, ist mir bewusst. Hier möchte ich die Hoffnung einfach nicht aufgeben ;) und mir sind Foren-Communities (auch größere) bekannt, die von wertschätzendem Miteinander geprägt sind.

Also, go for it! Übrigens, es gibt bereits eine Bonner Instanz: bonn.social